Jetzt lassen wir Tafraout wirklich endgültig hinter uns. Zumindest für dieses Jahr. Unser erstes Ziel heißt Agadir. Wir müssen noch die Autoversicherung für unser Fahrzeug verlängern und Debbi hat mit ihrem Findelkind Farah den letzten Tierarztbesuch vor sich. Allerdings kommen wir, gemäß südländischer Gelassenheit, relativ spät los, was uns hinten raus noch etwas Abenteuer versprechen sollte. Wie man durch Zufall beim marokkanischen Zahnarzt landen kann, erfahrt ihr außerdem.
Später Abschied aus Tafraout
Natürlich verbummeln wir in Tafraout den Vormittag, was aber auch mit der dreimaligen Nachbesserung unseres Verlängerungsformulars zu tun hat. Ein Frühstück, ein paar Einkäufe und der letzte Besuch beim uns bekannten Schuhdealer tragen noch zusätzlich zur verspäteten Abfahrt bei. Aber so läuft marokkanische Gelassenheit, von der wir uns in den vergangenen Monaten scheinbar einiges einverleibt haben. So kommen wir erst gegen 13:00 Uhr los, oder war es schon 14:00 Uhr? Ich muss gestehen, ich habe keine Ahnung mehr.
Mit Hochdruck nach Agadir
Es muss scheinbar doch später gewesen sein oder vielleicht waren es auch die vielen Kurven und die schlechte Straße, welche die Fahrt etwas in die Länge gezogen haben.
Zumindest steht die Sonne schon verdammt tief, als wir uns bei einer Tankstelle kurz vor Agadir mit Diesel und Wasser versorgen. Der angebotene Hochdruckschlauch bietet allerdings ein noch geringeres Durchflusspotenzial als der kleine bronzefarbenen Wasserhahn, welcher sich ebenfalls in der Waschhalle befindet und auch sonst überall im Land zum Standard gehört. Aber zumindest haben wir zwei Zapfmöglichkeiten und sind bereits nach gut 30 Minuten mit dem Füllvorgang an beiden Fahrzeugen durch. Also auf zum nächsten Zwischenziel, ein Supermarkt.
Wenn bei Marjane die Sonne untergeht
Eigentlich wollten wir zu Carrefour fahren, um uns mit ein paar Dosen Bier auszustatten. Da dort die Parkmöglichkeiten für größere Wohnmobile aber eher bescheiden sind, verzichten wir lieber auf die Hopfenkaltschale und wählen den Marjane, der sich dazu noch auf unserem Weg befindet. Die Parkmöglichkeiten vor dem Supermarkt sind super, sogar eine Tiefgarage gibt es. Für fahrende Schrankwände, wie unseren Kurzhauber, könnte man die Parkplatzsituation allerdings auch hier eher als desaströs bezeichnen. Eine Straße weiter sind aber genügend Parkplätze am Straßenrand vorhanden.
Der Einkauf ist gefühlt schnell erledigt. Bei gefühlt ist das aber wie mit der Außentemperatur. So fühlen sich 20 Grad manchmal an wie zehn und fünf Minuten wie 50. Aber egal wie man es dreht und wendet, ich freue mich schon, in der Dunkelheit ein Mal durch Agadir zu fahren, um unseren Stellplatz für die Nacht zu erreichen. Zumindest könnte das ein Erlebnis der ganz besonderen Art werden.
Nachts in Agadir
Immer wieder wird von Nachtfahrten in Marokko gewarnt. Auch wir versuchen, es zu vermeiden, aber leider hat es heute nicht so ganz geklappt. Deshalb gibt es jetzt die Top-3 der am schlechtesten zu erkennenden Fahrzeuge im nächtlichen marokkanischen Verkehr.
Auf Platz 3: Das Dreirad Motorrad
Schnell, wendig und immer für eine Überraschung gut. Zumindest haben diese Fahrzeuge oft einen Frontscheinwerfer, welcher ein Fahrzeug erahnen lassen kann. Bei ausufernder Nutzung der Ladefläche kann es allerdings zu einer erhöhten Tarnfähigkeit kommen, gerade bei Überhängen jenseits der zwei Meter. Bei Passagiertransporten fungieren oftmals aufleuchtende Smartphones als Notbeleuchtung. Nachteil, sie sind dann langsamer unterwegs und tauchen unverhoffter in der Dunkelheit auf.
Auf Platz 2: Eselkarren
Der gemeine Eselkarren fährt überwiegend auf der rechten Fahrbahnseite und nutzt vornehmlich auch Teile des vorhandenen Radwegs. Die niedrige Geschwindigkeit macht bei plötzlichem Auftauchen aus einer Seitenstraße jede Begegnung zum aufregenden Huch-Moment, bietet aufgrund des breiten Heckes aber genügend Reflektionsmöglichkeiten für unsere 55 Watt Bilux-Scheinwefer. Eigene Beleuchtung am Heck ist nur selten vorhanden, manchmal kann man sich an glimmenden Zigaretten orientieren.
Auf Platz 1: Fahrräder und Mopeds
Eine planbare Fahrspur besitzen diese Fahrzeuge genauso selten, wie eigenständig Leuchteinrichtungen. Fehlende Reflektoren und zumeist dunkel gewählte Kleidung unterstreichen die Tarnfähigkeit dieser Verkehrsteilnehmer im nächtlichen Verkehr. Wilde Spurwechsel und Slalomfahrten kombiniert mit den kleinen Außenspiegeln an unserem Lkw bringen diese zweirädrigen Selbstmordgeräte ungeschlagen auf Platz 1.
Aber irgendwie klappt es scheinbar doch. Wir sind überrascht, wie viel Rücksicht die Leute nehmen, auch wenn der Verkehr teilweise chaotischer scheint, als in Deutschland. Wir sind es als Europäer schlicht nicht gewöhnt, dass nachts so viele Unsichtbare unterwegs sind.
Stellplatz Surfspot
Wir erreichen unseren Stellplatz bei Auorir gegen 21:15 Uhr. Leider ist der Boden ziemlich ausgewaschen und eine ebene Fläche ist wegen fehlender Ausleuchtung, schwer zu finden. Nur beim Restaurant scheint es gut zu sein. So fragen wir einfach bei einem der netten Kellner, welcher uns sowohl noch ein Essen, als auch einen Stellplatz für die Nacht zusagen kann. Nach dem Parken und kurzem Einrichten sitzen wir um 10 vor 10 auf der Terrasse.
An der Speisekarte merken wir schnell, dass das wohl ein ziemlich hippes Restaurant mit ebenso hippen Preisen ist. Hier hat es Detox Smoothies und auch die Gerichte sind alle sehr europäisch angehaucht – typisch Marokkanisches findet man kaum. Aber alles was wir bei “Richies” serviert bekommen, ist ausnahmslos lecker.
Auch wenn wir nicht so viel sehen, scheint dieser Platz eine geniale Aussicht zu bieten, denn das Rauschen der Wellen klingt ziemlich nah. Wir sind mal auf morgen Früh gespannt.
Was wir erst später erfahren: Das Restaurant schließt normalerweise um 22 Uhr. Gesagt hat man uns das nicht. Wir wurden trotzdem zu so später Stunde noch mit einem leckeren Essen verwöhnt.
Am nächsten Morgen bestätigt sich unsere Vermutung. Das Restaurant bietet eine irre Aussicht aufs Meer und auch der Blick aus unseren Fahrzeugen, lässt das Herz höherschlagen.
Wir bleiben heute auf jeden Fall noch hier stehen. Vorerst müssen wir aber noch das erledigen, wofür wir nach Agadir gekommen sind.
Der frühe Vogel fängt den Wurm…
Wir sind heute früher auf den Beinen also sonst. Wir hoffen, dass sich so die Wartezeiten beim Tierarzt in Grenzen halten. Außerdem müssen wir noch ein Versicherungsbüro finden. Telefonisch konnte man uns leider nicht weiterhelfen. Vorher sollten aber noch die Vierbeiner über den Strand gejagt werden.
Die “Gang”, wie wir unser bunt gewürfeltes Hunderudel mittlerweile getauft haben, findet gleich neue Spielkameraden am Strand. Die Stimmung ist ausgelassen und die Hunde toben und spielen sich die Seele aus dem Leib.
Emily hat sich ganz besonders in einen jungen schwarz-weißen Rüden verguckt und ihr sonstiger Freund Jackson schaut anhand des attraktiven Konkurrenten an diesem Morgen mit dem Ofenrohr durchs Gebirge.
Nach dem Spaziergang am Strand sind alle müde und für uns geht es mit “Debbis Bus” in die Stadt.
Der frühe Vogel findet keinen Tierarzt…
Natürlich hat Debbi bei der Tierärztin angerufen und sich bestätigen lassen, dass sie heute Morgen kommen kann. Nur leider ist die Ärztin nicht da. Die Dame am Empfang vertröstet uns auf den Nachmittag. Ja, zeitliche Planung und Marokko geht sich manchmal einfach nicht aus, aber wir haben ja zum Glück noch anderes zu tun. Ob wir dafür aber fünf Stunden brauchen, ist fraglich. Na wir werden sehen.
Der frühe Vogel klappert Versicherungsbüros ab…
Hier in der Ecke befinden sich sehr viele Banken und Versicherer. Wäre ja super, wenn wir nicht durch die ganze Stadt fahren müssen, um uns diesen Zettel zu organisieren. Die Wahl fällt auf ein AXA-Büro gegenüber vom Tierarzt, doch leider können die Policen für Touristen nur in einem bestimmten Büro gemacht werden. Doch scheinbar haben wir Glück, dieser Versicherer ist quasi um die Ecke. Wir bekommen den Weg erklärt und laufen los.
Wir laufen währenddessen an einer weiteren Agentur vorbei, und entschließen uns nach der Tierarzterfahrung noch eine zweite Meinung über die Beantragung unserer Versicherung einzuholen. Doch auch hier werden wir auf das besagte Büro verwiesen. An der Adresse scheint also was dran zu sein. Wir folgen weiter der Wegbeschreibung und finden besagte Anschrift. Für ca. 90 Euro löse ich völlig unkompliziert eine weitere Versicherung für einen Monat. Drei Monaten hätten ca. 190 Euro gekostet. Somit sind wir bei den gleichen Preisen, wie sie auch an der Grenze verlangt werden. Je länger man die Versicherung braucht, umso günstiger wird es.
Der frühe Vogel geht zum Zahnarzt
In diesem Stadtteil gibt es scheinbar alle Dingen zu erledigen, die man sich nur vorstellen kann. Auf welche Gedanken man kommt, wenn man zu viel Zeit hat. Wir kommen an ein Gebäude, welches uns mit der freundlichen Aufschrift “Dentiste”, begrüßt. Ja, da müsste ich schon lange mal wieder hin und auch Debbi bestätigt, dass eine Kontrolle nicht schaden könnte. Also steigen wir in einen klapprigen Aufzug, der uns vor den Eingang der Zahnarztpraxis führt. Durch die Gitterstäbe können wir den leeren Empfang sehen, und auch sonst scheint die Praxis komplett verwaist zu sein. Ach, einfach mal klingeln, vielleicht ist ja jemand da.
Plötzlich macht jemand Licht an und ehe wir uns versehen, haben wir einen Kontrolltermin. Wir nehmen im Wartebereich Platz und merken sehr schnell, dass die Ärztin sich erst jetzt auf den Weg in die Praxis zu machen scheint.
Nach einer halben Stunde sitze ich auf dem Stuhl und erkenne an den vielen Mitteilungen in Französisch, das wohl so einiges im Argen liegen muss. Leider spricht die Ärztin kein Englisch, und ich muss Debbi erneut bitten, mir mit ihren Sprachkenntnissen behilflich zu sein.
Somit analysieren Debbi und die Ärztin gemeinsam meine Mundhöhle, was scheinbar für lustigen Gesprächsstoff sorgt. Na jetzt weiß ich wenigstens wo ich dran bin. Akute Probleme gibt es nicht, aber ein bisschen was muss schon gemacht werden. Ich entscheide mich dann aber aufgrund der Preise, das Ganze bei meinem Arzt in Deutschland machen zu lassen. Zahnarzt scheint in Marokko wirklich sehr teuer zu sein. Für die Durchsicht wurden mir 200 MAD berechnet.
Bei Problemen oder akuten Zahnschmerzen hätte ich keine Bedenken mich behandeln zu lassen. Ich habe mich super betreut gefühlt und auch die Praxis ist sehr modern eingerichtet.
Da wir noch immer über drei Stunden bis zum Eintreffen der Tierärztin haben und nur ca. 20 Minuten zum Restaurant, entscheiden wir uns, zurückzufahren. Am Nachmittag können wir dann den Rest ohne Probleme erledigen.
Jede Menge Wind und tolle Gespräche
Leider hat der Wind heftigst aufgefrischt, was den Parkplatz und den Strand recht ungemütlich werden lässt. Somit verbringen wir den heutigen Tag bzw. Abend, im Restaurant statt auf der Terrasse. Ab Abend stoßen noch Julie, Werner, Thomas und Gregor zu uns. Sie kenne uns und Debbi von unseren Blogs. So gibt es am Abend noch tolle Gespräche mit jeder Menge Reisegeschichten. Und auch das Essen ist wie am Vorabend einfach der Hammer.
Die Nacht ist leider alles andere als ruhig. Bis zum frühen Morgen schaukelt uns der Wind kräftig durch. Am nächsten Tag ist alles wieder ruhig, zumindest für eine kurze Zeit.
Jetzt haben wir wirklich alles erledigt, um noch einen weiteren Monat in Marokko bleiben zu können. Für uns geht es nun wieder ein kleines Stückchen an der Küste Richtung Norden, bevor wir diese dann verlassen werden. Doch dazu mehr im nächsten Reisebericht.