Nach einer zweitägigen Pause auf dem Campingplatz in Merzouga ziehen wir erst mal alleine weiter. Wir möchten uns in Tafraoute Sidi Ali mit einem Freund treffen, den wir bei unserer letzten Marokkoreise kennengelernt haben. So füllen wir noch einmal den Wassertank, Dieseltank und Lebensmittelschrank mit dem Nötigsten auf und machen uns auf den Weg zur Piste.
Stein um Stein
Wie so oft im Leben erinnert man sich nur an die guten Dinge. Wie steinig und schlecht die Piste von Merzouga nach Zagora am Anfang ist, haben wir anscheinend verdrängt.
Also erst mal Luft aus den Reifen, um etwas mehr an Fahrkomfort zu gewinnen.
Auf den ersten Kilometern sind wir aber mehr damit beschäftigt, den vielen marokkanischen Baustellen-Lkws auszuweichen, die uns entgegenkommen. Aber wie es der Zufall will, gibt es meist eine passende Ausweichstelle. Kurz darauf überholen uns zweit Motorradfahrer aus der Schweiz und ein Sprinter 4×4 aus Tschechien. Diese Strecke ist schon ziemlich gut frequentiert, aber das ist kein Geheimnis. Na die beiden werden wir bestimmt an einer uns bekannten Stelle wieder sehen.
Die uns bekannte Stelle
Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Dass man sich nur die guten Dinge merkt, stimmt dann auch wieder nicht. Wir nähern uns einer Auberge entlang der Strecke, die bei uns bei der letzten Fahrt auf dieser Piste ganz besonders in Erinnerung geblieben ist. Und wie soll es anders sein, die beiden Schweizer mit ihren Motorrädern und auch der Sprinter stehen auf der Straße und unterhalten sich vor besagter Auberge.
Wie wir im Gespräch erfahren, hat es mal wieder geregnet und die Weiterfahrt auf der Hauptpiste ist wegen überfluteter und weicher Oued-Durchfahrten nicht möglich. Man könne uns aber eine Alternativroute zeigen. Kommt mir vom letzten Mal leider zu bekannt vor. Vor zwei Jahren haben wir uns genau zu dieser Auberge schleifen lassen, weil es “angeblich” vor fünf Tagen geregnet hat und unser geplanter Weg unpassierbar wäre. Wir lehnen freundlich ab und fahren weiter.
Auch wenn die Geschichten von unpassierbaren Wegen oft nur ein Verkaufsargument sind, kann es sich lohnen, mit einem ortskundigen Führer unterwegs zu sein. Gerade wenn man zum ersten Mal auf den Pisten unterwegs ist, können einem die Locals zu wirklich sehenswerten Orten führen, die man auf eigene Faust niemals entdeckt hätte. Handelt aber unbedingt vorher einen Preis aus.
Wer aber auf eigene Faust losziehen möchte, sollte sich keine Angst machen lassen. Sollte es irgendwo wirklich nicht weitergehen, dann kann man immer noch umdrehen. Zu 99 % stimmen solche Geschichten nicht, sondern enden bei der Auberge, dem Teppichladen oder dem Souvenirgeschäft des Bruders, Cousins o. Ä.
Auch in unserem Fall war es mehr der nette Versuch uns woanders hinzulocken, denn wir haben unterwegs nichts entdeckt, weswegen eine Durchfahrt nicht möglich sein sollte.
Die Welt ist klein
Kurz nach unserem Zwischenstopp sehen wir zwei weitere Fahrzeuge am Horizont auftauchen. Schnell ist klar, dass es sich um Dubu-and-More handelt. Mit der Crew hatten wir ein paar Tage zuvor bereits Kontakt und wussten, dass sie auf der Strecke unterwegs sein würden. Begleitet wurden sie von einem Fahrzeug, das uns doch ziemlich bekannt vorkam. Beim Durchstöbern unserer Abenteuer-Allrad-Bilder war es dann schnell klar. Es ist der Marienkäferaufbau von travley.ch.
Wir unterhalten uns über ihre ersten Eindrücke in Marokko, und die atemberaubende Landschaft. Nach einer halben Stunde brechen wir wieder auf und folgen unserer Route weiter in Richtung Ramlia, denn wir sind spät dran.
Weichsandfeld bei Ramlia
Endlich Sand. So denkt glaub ich jeder, der nach einer steinigen Piste oder ausgedehnten Waschbrettfeldern das sandig weiche Gefühl unter den Rädern spürt.
Der Motor freut sich darüber vermutlich weniger, denn jetzt heißt es für ihn arbeiten. Wir verringern unseren Luftdruck vorne auf 3 und hinten auf 3,5 Bar, legen Allrad ein und fahren auf den sandigen Bereich der Piste zu. Bei einer Geschwindigkeit zwischen 20 und 25 km/h im 4. Gang zieht sich unser Kurzhauber vorbildlich durch die ersten Passagen. Aber irgendwie sind die Dünen dieses Jahr etwas höher und weitläufiger geworden, als wir es in Erinnerung hatten. Auch die Unebenheiten zwingen uns, das Tempo zu verlangsamen.
So schalten wir einen Gang runter und bewegen uns nur noch mit 10 – 15 km/h durch die immer weicher werdenden Dünen. Eine wirkliche Piste ist nur noch schemenhaft zu erkennen. Am Ende kommen wir aber ohne Buddeln durch und freuen uns über die erste kleine bestandene Herausforderung.
Unsere GoPro hat diese Herausforderung leider nicht bestanden und quittierte das Ende der Weichsandfahrt mit einem SD-Karten-Error. Na vielen Dank auch.
So bleibt leider nur ein Foto, das die Überfahrt der letzten Düne zeigt. Stehenbleiben und Fotografieren ist während der Dünenfahrt leider nicht drin, außer man springt bei voller Fahrt aus dem Fahrzeug. ?
Zur Auberge in Tafraoute Sidi Ali
Die weitere Fahrt bis Tafraoute Sidi Ali wechselt zwischen Wellblech, Steinpiste und kleineren Sandfeldern. Die Landschaft zeigt sich von ihrer besten Seite, was unsere Liebe zu Marokko wieder vollends entfacht.
Kaum verlassen wir am Zielort die Piste sind wir wieder die Attraktion schlechthin. Gefühlt alle Kinder, die uns sehen, stürmen in Richtung unseres Fahrzeugs und winken. Die einen einfach so, die anderen scheinbar um uns zu einer der ansässigen Auberges zu leiten. Aber unser Ziel steht ja bereits fest.
So folgen wir weiter unserem Track und landen zielgerichtet in der Auberge Darlajdoud.
Said, der Besitzer begrüßt uns herzlich mit einem traditionellen Tee und reicht dazu Plätzchen, Kuchen und Nüsse. Etwas verwundert sind wir, weil wir weder Allan noch seinen Landrover entdecken können. Doch schnell klärt Said auf, dass er beim Einkaufen ist.
Als er zurückkommt erfahren wir, dass er die Strecke von Ramlia bis zur Auberge in Tafraoute Sidi Ali ohne Fahrzeug, sondern zu Fuß zurückgelegt hat. Ach ja, Allan ist 71. Seinen Landrover hat er in Großbritannien gelassen, wie wir an diesem Abend erfahren.
Silvestertour durch die Wüste
Nach einem Tag Pause machen wir am 31.12. eine Wüstentour. So ziehen wir nach einem Frühstück am Silvestermorgen los, um das ein oder andere Abenteuer zu erleben. Das Größte war zuerst Allans Sitzplatz, der sich auf dem Fußboden zwischen unseren Sitzen befand. Aber Mithilfe von zwei Kissen war das Ganze durchaus bequem.
Dass Allan sich von Said noch eine große Schaufel geben lässt, trägt nicht gerade zu unserer Beruhigung bei.
Ganz ohne Navi und nur mit Allans Kenntnissen ging es zunächst per Abkürzung über einen Berghang bis wir die Piste auf der anderen Seite erreichten.
Bergauf durch Sand
Jetzt lag ein etwas längerer Weg immer bergauf vor uns. Von Weitem konnte man bereits Spuren im weichen Sand erkennen. Ich habe das Gefühl, dass unser Fanti heute mal zeigen darf, was so in ihm schlummert. Im 4. Gang ziehen wir langsam aber stetig gen Bergkuppe und kommen ca. 25 Meter vorher zum Stehen. Rückwärtsgang, ein paar Meter zurück und es in der Spur nebenan noch mal versuchen, so ist der Plan, der auch glückt. Wir erreichen die Bergkuppe, ohne die Schaufeln auspacken zu müssen. Das wäre schon mal geschafft.
Durch blühende Rucolafelder und wundervolle Oasen
Danach geht es auf guten Pisten weiter in Richtung Norden durch wundervolle Landschaften.
Das nächste Sandfeld blieb uns allerdings erspart. Der Sand, der noch vor einem Jahr hier zu finden war, hat sich offensichtlich nach Ramlia verweht.
Weiter geht es durch ein Oued, welches über und über mit Rucola bewachsen war.
Anschließend erreichen wir die Oase Mharech, wo die Auberge Elmharech von Saids Bruder liegt.
Auch dieser Ort ist wirklich toll und bietet neben jeder Menge Palmen sogar einen Pool. Zum Baden sind wir aber nicht hier. Allan wollte uns die schön ausgestattete Auberge zeigen, bevor wir trotz des Angebots den Pool für uns zu beheizen, ungebadet weiterziehen.
Dünenfeld, das den Namen verdient
Auf dem weiteren Weg der Piste wird es etwas rauer. Wir müssen wieder einen kleinen Berg überqueren auf dem unser Dicker gerade so Platz hat und auch die Kurven sind relativ eng.
Nach der Überquerung sieht man bereits besagtes Dünenfeld und ich ahne so langsam, wo die Reise hingehen soll. Ich höre die Schaufel in unserem Heck bereits kichern und frohlocken: “Darf ich gleich raus”?
Zunächst folgen wir den offensichtlichen Spuren durch die sandigen Hügel. Sie werden immer höher und so manche Dünenspitze wird wirklich nur im letzten Atemzug des Motors überwunden. Wir sind hellauf begeistert, wie gut sich unser alter Herr schlägt.
Trotzdem ist es sehr anstrengend und die Angst die Kiste umzuwerfen fährt immer ein bisschen mit. Mit einem Begleitfahrzeug wäre man auch sicher etwas mutiger gewesen. 😉 Auf Buddeln hatte heute jedoch keiner Lust.
Jetzt kommen wir an ein kleines, steiniges Plateau in der Mitte des Dünenfeldes.
Mir persönlich kommt diese Pause ziemlich gelegen, um aus den Reifen doch noch etwas mehr Luft zu lassen, und einige Meter des weiteren Weges zu Fuß zu erkunden. Spuren von anderen Fahrzeugen sind jetzt nicht mehr zu finden. Der Grund ist auch schnell gefunden. Alles ist vollkommen weich und man sinkt sofort ein. Für uns heißt das hier also Ende Gelände, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir möchten schließlich den letzten Tag des Jahres nicht mit einem total verharzten Lkw ausklingen lassen.
Spaß gemacht hat es trotzdem und wir haben wieder viel über die Geländegängigkeit unseres Kurzhaubers gelernt.
Hoch hinaus
Doch das Ende des Dünenfeldes ist nicht das Ende unserer Wüstentour – es gibt eine alternative, einfachere Route. Wir folgen also dem Weg zurück und fahren um das Dünenfeld herum. Unser nächstes Ziel ist ein Aussichtspunkt, von dem aus das ganze Tal zu überblicken ist. Leider muss unser Fanti am Fuße stehen bleiben, da die steile Fahrspur vollkommen mit Sand bedeckt ist. Ja, die Wüste lebt und bewegt sich.
Aber jeder freut sich über ein bisschen Bewegung. So steigen wir ein paar hundert Meter nach oben und werden mit einer wahnsinnigen Aussicht belohnt.
Nach dem Abstieg gibt es eine Runde leckeres Obst für alle, bevor die Tour weitergeht.
Die verlassene Stadt
Gerade zur Abendstimmung erreichen wir das nächste Highlight. Eine seit 300 Jahren verlassene Stadt thront auf einem Hügel und wartet nur darauf von uns fotografiert zu werden. Auch wenn wir vermutlich Teile des Rückwegs im Dunkeln machen müssen, genießen wir die letzten Sonnenstrahlen an diesem mystischen Ort.
Die Rückfahrt führt uns wieder durch das Dünenfeld, allerdings auf der offiziellen Piste. Diese ist aber im Vergleich keine große Herausforderung mehr, wenn man von der tief stehenden Sonne absieht. Wir erreichen unsere Auberge gut eine Stunde nach Sonnenuntergang.
Silvester fällt ins Bett
Said wartet schon mit Tee auf uns, als wir am Silvesterabend müde und geschafft zurückkehren. Und noch eine Überraschung wartete auf uns. Susanne und Ralf von Geckoclou, die uns auf Instagram entdeckt haben, sind ebenfalls in der Auberge Darlajdoud angekommen. So gab es an diesem Abend noch reichlich Gesprächsstoff.
Mitternacht hat aber niemand im Wachzustand erreicht. Zu aufregend waren die ganzen Eindrücke des Tages.
Tage der Erholung
Die nächsten Tage verbrachten wir zusammen mit alten und neuen Freunden in der Auberge von Said. Irgendwie war man schon ein Teil der Familie geworden. Wir tranken Tee, wurden mit leckerem Essen verwöhnt und saßen abends gemeinsam mit Kind, Kegel und Nachbarschaft am Lagerfeuer. So lernte ich das ein oder andere Wort in Berber und die Locals das ein oder andere Wort in Deutsch oder eher Bayrisch. :-). Das Wort “Oachkatzlschwoaf” spricht Said mittlerweile fast perfekt. Das Wort mit selber Bedeutung in Berber kann ich mir immer noch nur schwer merken.
Was marokkanische Gastfreundschaft bedeutet, haben wir noch an keinem Ort so sehr spüren dürfen und können, wie hier. Wir waren ein Teil der Familie, was für uns unvergesslich war.
Den letzten Abend verbrachten wir u. a. mit einem französischen Pärchen und Walter und Bernd – zwei Motorradfahrern, die in fünf Wochen nach Mauretanien und wieder zurückfahren wollen. Ein lustiger Abend, den wir auch nicht vergessen werden.
Das letzte Stück auf der Piste nach Zagora
Mit Tanja und Andre haben wir vereinbart, wir treffen uns in Zagora. Am Samstag war es dann so weit. Wir packten unsere Sachen, bekamen noch ein wenig Wegzehrung in die Hand gedrückt und verließen unsere kleine Berber-Familie, die wir unheimlich ins Herz geschlossen haben.
Dass das letzte Stück der Piste von Merzouga nach Zagora echt schlecht ist, haben wir noch in Erinnerung.
Ohne großartige Abenteuer landen wir am Nachmittag auf dem Camping Sindibad in Zagora, wo unsere lieben Freunde schon ein paar Tage sind.
Gemeinsam mit Debbi, die hier ihren alten Bremer neu lackieren lässt, genießen wir Pizza auf marokkanische Art. Lecker, hat aber mit klassischer italienischer Pizza nicht soooo viel zu tun, aber egal, Hauptsache lecker.
Am nächsten Morgen werden die Wassertanks gefüllt und es geht auf zum nächsten Abenteuer. Doch mehr dazu im folgenden Reisebericht.