Nach unserer Rallye brauchen wir erst mal eine kleine Pause. Der Wäschesack quillt langsam über, die Lebensmittelvorräte sind leergefuttert und Wasser brauchen wir auch. Die Tankanzeige hat sich seit Zagora auch ziemlich Richtung leer bewegt. Komisch, es waren doch nur 280 Kilometer. Wie wir am Campingplatz in Foum Zguid feststellen müssen, kann unser dringlichstes Problem leider nicht gelöst werden – Wäsche waschen. Irgendwie hatten wir auch den Eindruck, dass man den Campingplatz für uns reaktiviert hat und es nur noch selten Campinggäste gibt. Also beschließen wir am abendlichen Lagerfeuer, morgen noch eine Etappe weiter zu fahren. Das Ziel ist Tafraout. Aber jetzt erst mal Duschen.
Discodusche mit marokkanischem Wasserdruck
Nach dem vielen Staub in der Wüste, sehnen wir uns nach einer Dusche.
Ein Warmwasserboiler verspricht zumindest, dass auch der Warmduscher hier vergnügt planschen kann. Doch zunächst wäre etwas Licht vorteilhaft, da der komplette Sanitärbereich ohne Fenster ausgestattet ist. Am Eingangsbereich finde ich einen Sicherungskasten und schalte einfach mal alle Schalter ein. Siehe da, es werde Licht. Aber aus irgendeinem Grund flackert es. Na egal, ist ja nur im Flurbereich.
Doch leider flackert es auch in der Dusche. Da muss mit der Elektrik irgendwas nicht stimmen. Es könnten zumindest ein interessanter Bartschnitt und eine individuelle Frisur dabei rauskommen, rasieren wollte ich mich schließlich auch noch. Na egal, wird schon gehen.
Beim Aufdrehen des Wasserhahns, gab es ein Phänomen, welches ich seit Marrakesch nicht mehr erlebt hatte, ordentlicher Wasserdruck. Doch dann …
Zack, Licht aus.
Damit schien der Durchlauferhitzer nicht ganz einverstanden zu sein. Das Wasser war nur lauwarm bis kalt.
Zack, Licht an.
Ok, zumindest ist es nicht ganz kalt. Ich werde mich erst mal rasieren.
Zack, Licht aus.
Na zum Glück war der Langhaarschneider gerade an einer unkritischen Stelle zugange. Ich glaub, das wird so nix, sonst sehe ich am Ende aus wie ein gerupftes Huhn. Ich seife mich erst mal ein und wasche mir den Staub von der Haut. Rasieren kann ich mich auch später. Ich drehe den Wasserhahn auf und: “Autsch”, warum ist das jetzt so heiß?
Zack, Licht an.
“Och nee, jetzt ist das Wasser plötzlich wieder kalt.”
Meinem Talent im Kombinieren sei Dank – so vermute ich, dass bei zu hohem Wasserdruck der Boiler es einfach nicht schafft, das Wasser zu erwärmen. Also drehe ich das Wasser zu auf “normalen” Wasserdruck und Zack, das Wasser ist heiß und das Licht wieder aus. Na egal, ich bin eh schon wieder sauber.
Dieselverbrauch des Grauens
Tanja und Andre möchten die Strecke nach Tafraout nicht an einem Tag zurücklegen. Annette und Benedikt hingegen haben etwas Zeitdruck und so starten wir am nächsten Morgen ohne Vario in Richtung Tata.
Debbi möchte auf jeden Fall noch volltanken, da ihre Tankanzeige seit der letzten Piste nur noch auf Maximum hängt, was so nicht ganz stimmen kann (obwohl das natürlich wünschenswert wäre). Auch wir möchten wissen, was unsere Kiste so durchgelassen hat und kommen auf einen Verbrauch von 40 Liter auf 100 Kilometer. Das ist unser bisheriger Verbrauchsrekord, im negativen Sinn und dabei waren die 80 Kilometer Asphalt noch gar nicht rausgerechnet. Ok, wir sollten in diesem Fall lieber den Stundenverbrauch kalkulieren. 😀
Im Vergleich zum Bremer hat sich Fanti allerdings recht gut geschlagen. Dieser genehmigte sich immerhin auch 30 Liter. Der Kurzhauber von Annette und Benedikt schluckte ebenfalls um die 40 Liter.
Die Wasserfälle von Tissint
Nach dem Tanken fahren wir zügig in Richtung Tata. Unser erster Stopp auf dieser Strecke sind die Wasserfälle von Tissint. Man sollte jetzt allerdings keine Niagarafälle erwarten, aber der Anblick war nach der ganzen Wüstenfahrerei schon ganz schön und eine gelungene Abwechslung. Auch wenn man auch hier wieder stellen findet, an denen sich Müll sammelt.
Nach einer kleinen Besichtigungstour wollen wir schon wieder weiter. Schließlich haben wir noch knapp 200 km Wegstrecke vor uns.
Tata, oder Tatü Tata
So machen wir uns weiter auf den Weg nach Tata und beobachten gespannt, wie sich die Landschaft langsam verändert.
Wir erreichen die Stadt gerade noch rechtzeitig, bevor die Läden schließen. Es ist mal wieder Freitag, was bedeutet, dass die meisten Geschäfte ab ca. 13 Uhr geschlossen haben. Es kann auch 14 Uhr sein, genauer konnten wir das noch nicht herausfinden.
Wir benötigen noch etwas Bargeld und die Damen möchten unbedingt noch mal eine Patisserie überfallen. Also parken wir kurz vor der Innenstadt am Straßenrand und wandern zu Fuß in Richtung Ladenstraßen. Ein Parkverbotsschild mit einem abgebildeten Lkw übersehen wir jetzt einfach mal, wir sind ja schließlich ein Wohnmobil. Außerdem gibt’s leider keine anderen Parkmöglichkeiten. Wir sind ja auch gleich wieder da.
Während Benedikt und ich uns mit Bargeld eindecken, ziehen die Mädels weiter zum Spezialgeschäft für süße Leckereien. Alles klappt wie am Schnürchen und nach ca. 10 Minuten sind wir wieder auf dem Weg zu unseren Fahrzeugen. Leider erkennen wir erst jetzt, wo wir geparkt haben. Direkt vor uns befindet sich eine Polizeistation oder Kaserne – offensichtlich etwas sehr Offizielles. Auf der Straße stehen plötzlich Polizeiautos, Militär, Soldaten und unsere drei Fahrzeuge, welche gerade im Halteverbot für Lkws stehen.
Mehr als eine Aufforderung uns zügig aus dieser Zone zu entfernen, gab es zum Glück aber nicht.
Ab durch den Antiatlas
Wir verlassen die N12 bei Tata und fahren über die R109 in Richtung Antiatlas.
Es wird zunehmend gebirgiger und die Landschaft verändert sich immer mehr. Wie soll man die Berge des Antiatlas am besten beschreiben?
Es sieht aus, als hätte jemand durch das Gestein gerührt und noch etwas Farbe dazugegeben.
Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier kann man nur noch Bilder sprechen lassen.
Auch blühende Mandelbäume gab es schon zu sehen und das mitten im winterlichen Januar.
Das verrückte Erdmännchen
Gerade in Marokko lassen wir oftmals die GoPro mitlaufen. Aber genau dann, wenn man den Clip des Tages drehen könnte, liegt sie ungenutzt im Fahrerhaus. Auf unserer Route, entlang einiger weggebrochener Straßen, halten wir an. Robby möchte ein Foto schießen, um zu zeigen, wie eng es hier zugeht.
Gerade als sie sich umdreht, in die Knie geht und die Kamera auf unseren Kurzhauber richtet, springt etwas hinter ihr auf die Fahrbahn. Ich meine, ein Erdmännchen zu erkennen, was sich aufgrund eines unvorhergesehenen Hindernisses (in Form von Robby) furchtbar erschreckt, sich deswegen überschlägt und in den Graben rollt. Mit ein paar zackigen Bewegungen ist es leider schneller verschwunden, als einer von uns reagieren könnte.
Der arme Kerl dachte sicher, sein letztes Stündchen hätte geschlagen. Robby fragte mich nur, warum ich so komisch gelacht habe und nicht wie vereinbart weitergefahren bin. 😀
Die Verbindungsstraße, die uns Google Maps vorgeschlagen hat, ist stellenweise etwas abenteuerlich, belohnt aber wieder mit gigantischen Ausblicken, die uns nur noch staunen lassen.
Tafraout und die blauen Steine
Das letzte Stück bis Tafraout zieht sich ein wenig, aber entlockt uns immer wieder staunende Blicke.
Wir kommen am Abend ziemlich geschafft an unserem Ziel an. Heute wird das eh nichts mehr mit Wäschewaschen, und so fahren wir direkt weiter zu den blauen Steinen, um dort eine Nacht zu verbringen, oder auch zwei. Die Straße dorthin ist ziemlich schmal und so muss man das ein oder andere Mal ausweichen.
Wir sammeln noch ein bisschen Totholz zusammen und lassen den Abend gemeinsam beim Nomadenfernsehen ausklingen. Was wir aber sehr deutlich merken, wir sind in den Bergen auf etwa 1000 Metern. Tagsüber ist es angenehm warm, aber sobald die Sonne verschwindet, wird es mal so richtig kalt. Aber egal, die Landschaft ist der absolute Wahnsinn und wofür haben wir eine Heizung?
In unseren Augen sind die blauen Steine am wenigsten beeindruckend. Vielmehr erwartet Einen hier eine Landschaft, die Ihresgleichen sucht. Auch hier kann man am besten nur Bilder sprechen lassen.
Am nächsten Tag treffen auch Tanja und Andre wieder bei uns ein. Somit sind die Teilnehmer der “Rallye” wieder vereint. Wir genießen noch einen Nachmittag mit Gebäck und Tee. Am nächsten Morgen verlassen uns Annette und Benedikt leider schon. Für sie geht es in Richtung Norden und anschließend weiter nach Portugal. Der Rest von uns macht sich auf zur Palmerie – ein Freistehplatz am Rand der Stadt.
Stellplatz in Tafraout
So, jetzt müssen wir aber endlich mal Wäsche waschen. Dass es aber so einfach werden würde, hätten wir uns auch nicht gedacht. In der Stadt gibt es einen großen Platz, auf dem sich jede Menge Wohnmobile, Lkws und Offroadfahrzeuge tummeln.
Auch eine kleine Hundefamilie ist hier unterwegs – Mama mit ihren fünf oder sechs Welpen. Die quietschen oftmals schon, wenn nur ein Hund auf sie zukommt, was dafür sorgt, dass Mama ebenfalls gleich angelaufen kommt und sie ganz mütterlich verteidigt.
Die Einwohner haben sich hier auf die “Freisteher” eingestellt. Wir stehen noch keine Minute, da wird uns schon ein Wäscheservice angeboten. 10 Dirham pro Kilo Wäsche – sie nimmt sie jetzt mit und bringt sie am nächsten Tag wieder. Wir nehmen das Angebot gerne an und werden zwei große Säcke los.
Aber das war noch nicht alles. Auch frisches Brot wird frei Wohnmobil geliefert und wer etwas Warmes möchte, bekommt wahlweise Couscous, Tajine oder andere Speisen.
Am Ende kommt das Geld genau dahin, wo es hingehört. Pro Tag sind dann noch 15 MAD Parkgebühr fällig, was mehr als in Ordnung ist.
Am Tag drauf treffen auch Angi, André, Töchterchen Romy und Doggendame Müsli von rumpeltours in Tafraout ein. Wir hatten vorher schon Kontakt über Facebook und wollten uns unbedingt mal treffen. Es entwickelt sich so langsam eine kleine, deutsche Kolonie. Auch Georg stößt wieder zu uns und wir lernen außerdem Anne und Dominik kennen.
Tafraout – eine Stadt zum Verlieben
Am nächsten Tag und den Folgetagen besuchen wir die Stadt mehrfach und sind absolut begeistert. Wir wollen uns unbedingt mit ein paar Babousch (marokkanische Schuhe) eindecken, für die Tafraout ebenfalls bekannt ist. Jeder hier trägt sie und auch wir werden in einem kleinen Laden fündig. Zwei wirklich sehr liebe Herren helfen uns bei der Auswahl und auch für die Familie Zuhause packen wir einige Paar ein.
Bei einem kleinen Kräuterladen sind wir bereits Stammkunde und auch beim Gemüseladen und Olivenstand erkennt man uns wieder.
Dabei ist jeder hilfsbereit und niemand aufdringlich. Hier kann man es wirklich aushalten und das zeigt sich auch darin, dass wir bereits seit zwei Wochen zwischen den blauen Steinen und Tafraout hin und her pendeln.
Spontan wurden wir von Sabrina und Oli von wegfahrer.de eingeladen. Sabrina feiert hier ihren Geburtstag und so gibt es Kuchen, Gulasch vom offenen Feuer und viel Austausch unter einer großen Gruppe Gleichgesinnten.
Robby stieg dann noch kurz ins Friseurhandwerk ein und verpasste Debbi von halloabenteuer mal schnell einen Satz Dreadlocks. Ganze vier Tage wurde toupiert und gehäkelt, bis Debbis Mähne gezähmt war. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, wie ich finde.
Tolle Begegnungen
Selten haben wir so viele liebe Menschen auf ein Mal getroffen, wie hier in Tafraout. So stoßen, kurz bevor wir ein letztes Mal in die Stadt aufbrechen, noch Jürgen und Yasha von Dare2Go zu uns. Es wird international, denn sie ist Australierin und er mittlerweile auch, hatte aber mal einen deutschen Pass.
Wir unterhalten uns angeregt auf Englisch über die unterschiedlichsten Dinge. Doch schon nach anderthalb Tagen ist es Zeit, uns zu verabschieden. Die Zwei bleiben noch bei den blauen Steinen, während wir uns noch mal auf in die Stadt machen.
Das Zuhause-Gefühl
Wenn man keinen festen Wohnsitz mehr hat und immer auf Reisen ist, entwickeln sich mancherorts Gefühle, die man am ehesten mit Zuhause oder Heimat beschreiben könnte. So langsam wird alles sehr gewohnt.
Wir haben unseren Stammladen, in dem wir uns mit frischer Minze und Koriander eindecken. Die Patisserie in der wir Baguette und meist Pain au Chocolat kaufen, liegt direkt neben dem kleinen Laden, wo wir uns mit dem Nötigsten eindecken und auch der Gemüsehändler und der Parkwächter kennen uns schon.
Wir fühlen uns wohl und könnten wohl noch Wochen oder Monate bleiben.
Jim und Claudia stoßen an unserem letzten Tag an der Palmerie zu uns. Wir geben unsere Wäsche ein letztes Mal mit und kaufen noch mal ein paar Schuhe. Außerdem gehen wir alle gemeinsam zum Essen in ein Restaurant, wie fast jeden Abend.
Unsere Wege werden sich nämlich vorerst trennen. Debbi muss nach Agadir, Andre und Tanja wollen nach Tiznit und wir zu den heißen Quellen nach Fask. Obwohl wir heute eigentlich abreisen wollten, haben wir uns für einen weiteren Tag bei den blauen Steinen entschieden.
Es gibt Arbeiten, die noch dringend erledigt werden wollen und auch Debbi lässt sich überreden, noch einen Tag zu bleiben. Wir hatten die große Freude Ingrid und Klaus, die Stefan aus Portugal schon kannte, weil er sie während meines kurzem Heimaturlaubs damals kennengelernt hatte, zu treffen. Und auch Yasha und Jürgen kommen noch mal zu den blauen Steinen, bevor es morgen dann aber wirklich weitergeht.