Wer wie ich gerne selbst am eigenen Fahrzeug schraubt, wird über Begriffe wie Anzugsdrehmoment von Schrauben und dem dazugehörigen Drehmomentschlüssel stolpern. Aber warum müssen Schrauben eigentlich mit einer bestimmten Kraft angezogen werden? Was kann passieren, wenn Schrauben zu fest oder zu leicht angezogen wurden? Außerdem erkläre ich, wie man den Drehmomentschlüssel einstellen und lagern sollte.
Anzugsdrehmoment bei Schrauben oder “nach fest kommt ab”
Eine abgerissene oder überdrehte Schraube gehört zu den unangenehmeren Begleiterscheinungen einer Fahrzeugreparatur. Schrauben, Muttern oder Gewindegänge halten je nach Durchmesser und Steigung eine bestimmte Zugkraft aus. Wird das Anzugsdrehmoment überschritten, gibt das schwächste Glied nach. Meist ist das die Schraube.
Solange es sich um eine Schraube mit Mutter handelt, kann man mit dem Schaden gut leben, sofern man Ersatz an der Hand hat. Unangenehm wird es, wenn die Reste des Schraubengewindes freundlich aus der Bohrung grüßen. Jetzt hilft meist nur aufbohren und hoffen, dass das Gewinde selbst keinen Schaden genommen hat. Bei Motorblöcken aus Alu kann so ein Malheur schnell kosten- oder arbeitsintensiv werden. Oft zieht man in diesem Fall die Gewindegänge mitsamt der Schraube aus dem Loch. Darum werden in den Reparaturanleitungen meist eigene Anzugsdrehmomente verwendet.
Zu geringe Anzugsmomente und die Folgen
Aber auch zu geringe Anzugsmomente können fatale Folgen haben. Mein eigener Autoreifen sollte mich nach Möglichkeit nicht auf der Straße überholen.
Gerade Vibrationen, wie wir sie an unseren Fahrzeugen haben, können dazu beitragen, dass sich Schraubverbindungen lösen. Die Gefahr, welche von einem verlorenen Reifen oder anderen Fahrzeugteilen ausgeht, möchte man sich nicht ausmalen. Aber auch zu geringes Drehmoment an z. B. Zylinderkopfschrauben kann Probleme verursachen.
In Bereichen mit starken Temperaturänderungen, wie es beim Verbrennungsmotor der Fall ist, kommen sogenannte Dehnschrauben zum Einsatz. Diese gleichen die Zugkraft bei unterschiedlichen Temperaturen aus, um die Dichtigkeit der Zylinderkopfdichtung bei allen Betriebszuständen zu gewährleisten.
Das funktioniert aber nur mit den richtigen Anzugsdrehmomenten.
Tabelle Anzugsdrehmomente metrische Schrauben
Bevor wir aus der Tabelle das richtige Anzugsdrehmoment entnehmen können, müssen wir wissen, welche Eigenschaften unsere Schraube hat. Folgende Werte sind ausschlaggebend:
Schraubengröße | Beschreibt die Größe der Schraube (z. B. M6, M8 usw.). |
Steigung des Gewindes | Hat die Schraube ein Normal- oder ein Feingewinde? |
Fertigkeitsklasse | Meist 8.8 oder 10.9. Beschreibt die Streckgrenze der Schraube (der Wert ist auf dem Schraubenkopf zu finden). |
In der folgenden Tabelle können die Anzugsdrehmomente für metrische Schrauben abgelesen werden. Die Werte beziehen sich auf saubere oder leicht geölte Schrauben. Im Grunde wie sie neu aus der Verpackung kommen.
Rostige Schrauben würden ein höheres Anzugsdrehmoment erfordern, da der Rost einen Teil der Drehenergie verbraucht. Diese sollten aber auch ersetzt werden, sofern das möglich ist.
Hier kannst Du die Tabelle als PDF herunterladen.
Drehmomentschlüssel einstellen
Nachdem wir das passende Anzugsdrehmoment aus der Tabelle entnommen haben, müssen wir noch den Wert am Drehgriff einstellen. Als Beispiel nehme ich meinen BGS 3/4 Zoll Drehmomentschlüssel. Die Meisten arbeiten, je nach Bauart nach einem ähnlichen Prinzip. Wir haben eine Schraube M16 mit einem Normalgewinde, einer Fertigungsklasse von 8.8 und stellen somit 210 Nm Anzugsdrehmoment laut Tabelle ein.
Verriegelung öffnen
Meist ist dazu eine Schraube oder wie in meinem Fall eine Schiebemuffe angebracht. Diese Sicherung soll verhindern, dass der eingestellte Wert während der Benutzung des Drehmomentschlüssels verstellt wird.
Grobe Einstellung
Nun drehen wir den Griff im Uhrzeigersinn, bis die Kante des Griffs an der horizontalen 180 Nm Linie und die 0 auf der Skale übereinstimmen. (Der nächstgrößere Wert wäre 220 Nm. Unsere angepeilten 210 Nm liegen zwischen 180 und 220 Nm. Man nimmt somit immer den nächstniedrigeren Wert, welcher auf der Skala zu finden ist).
Feineinstellung
Um jetzt auf unsere 210Nm zu kommen, fehlen uns, von 180Nm ausgehend, noch 30Nm. Also drehen wir den Griff weiter im Uhrzeigersinn, bis die 30 auf der Skala mit der horizontalen Linie übereinstimmt.
Verriegelung schließen
Jetzt wird die Verriegelung wieder geschlossen und wir können mit dem Anziehen der Schrauben beginnen. Die Schraube wird so lange langsam und gleichmäßig angezogen, bis ein Knackgeräusch zu hören ist. Jetzt sitzt die Schraube mit dem richtigen Drehmoment.
Zurückstellen
Nach Beendigung der Arbeit muss der Drehmomentschlüssel wieder auf den niedrigsten Wert zurückgestellt werden. Es besteht sonst die Gefahr, dass unser Messwerkzeug Schäden davon trägt.
Was man mit einem Drehmomentschlüssel besser nicht machen sollte
Ein Drehmomentschlüssel ist ein Messwerkzeug und so sollte man auch damit umgehen. Zweckentfremdung ist auch in Anbetracht der Kosten, mit denen dieses Werkzeug daher kommt, nicht zu empfehlen. Am Ende werden die Schrauben falsch angezogen, weil die interne Mechanik Schaden genommen hat.
Was man auf keinen Fall mit seinem Drehmomentschlüssel tun sollte:
- In Öl oder Fett tauchen.
- Betrieb mit mehr als des maximal einstellbaren Anzugsdrehmoments.
- Mit Verlängerungen oder Rohren arbeiten.
- Nach Erreichen des Anzugsmoments den Schlüssel mit Gewalt weiter drehen.
Darf ich den Drehmomentschlüssel auch zum Öffnen von Schrauben verwenden?
Auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird, kann ein Drehmomentschlüssel zum Öffnen von Schrauben verwendet werden (außer der Hersteller schließt es aus).
Nützlich kann es z. B. bei Schrauben an Auspuffkrümmern oder Schrauben am Motorblock sein. Dazu stelle ich den Wert einfach auf das maximale Anzugsdrehmoment der Schraube ein und versuche die Verbindung langsam und vorsichtig zu lösen. Knackt es schon vorher, kann die Drehmomenteinstellung schrittweise erhöht werden, bis sich die Mutter gelöst hat. Ist alles schon total verrostet, kann die Schraube trotz dieser Vorsichtsmaßnahme abreissen. Da steckt man leider nicht immer drin. Am besten sprüht man solche Verbindungen vorher gründlich mit Rostlöser ein oder erwärmt sie z. B. mit einer Lötlampe (sofern sich nichts Brennbares in der Nähe der Verschraubung befindet). So bekommt man fast alles auf.
Wichtig ist nur innerhalb der maximalen Anzugsdrehmomente des Werkzeugs zu bleiben. Wenn es knackt und die Schraube bewegt sich trotzdem nicht, darf man auf keinen Fall mit Gewalt weiterdrehen.
Wartung und Pflege
Meist werden Drehmomentschlüssel in einer Aufbewahrungsbox geliefert. Diese ist der beste Platz für die Lagerung. Gereinigt wird er mit einem trockenen Tuch, auf keinen Fall mit Bremsenreiniger oder ähnlich scharfen, fettlösenden Mitteln.
Von Zeit zu Zeit sollte der Drehmomentschlüssel kalibriert werden. In der Kfz-Branche wird es nach ca. 5000 Nutzungen empfohlen. Meist lohnt sich das aber nur bei hochwertigen Produkten. Gedore z. B. bietet diesen Service in den ersten 24 Monaten kostenlos an.
Als Hobbyschrauber nutzt man meist günstigere Modelle, bei denen sich eine Neuanschaffung finanziell eher rechnet.
Im Übrigen ziehe ich nicht jede Schraube mit einem Drehmomenschlüssel fest. Oft genügt das eingebaute Messwerkzeug im Arm. Doch gerade bei kritischen Baugruppen wie Fahrwerk, Bremsen, Motor oder Rädern, gehe ich lieber auf Nummer sicher.
Selbst benutzen wir einen 1/2 Zoll und 3/4 Zoll Drehmomentschlüssel von BGS. Wir sind mit beiden zufrieden. Natürlich sind es keine Vollprofi-Werkzeuge wie von Hazet oder Gedore, aber für unsere Hobbyschrauberzwecke reichen sie vollkommen aus.